Allmen und der Koi by Suter Martin

Allmen und der Koi by Suter Martin

Autor:Suter, Martin [Suter, Martin]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi
Herausgeber: Diogenes
veröffentlicht: 2019-09-24T22:00:00+00:00


4

Vales Finca war zuletzt vor vierzig Jahren renoviert worden. Sie besaß eine Küche im Stil der siebziger Jahre, und auch die Bäder sahen entsprechend aus. Orangefarbene Wandfliesen und stromlinienförmige Armaturen, deren Verchromung arg gelitten hatte.

In den meisten Räumen befanden sich Heizkörper, mit denen man, da man sie nicht verstecken konnte, das Gegenteil gemacht hatte: Man hatte sie bunt bemalt.

Die Wände waren voller Kunst, vieles davon psychede‌lisch. Die meisten Werke stammten aus der Zeit, als Vale noch wohlhabend war und die Hippiekommunen der Insel dadurch unterstützte, dass er ihre Kunst kauf‌te.

Vale selbst war ein alter, etwas verwahrloster Herr. Hager, gebeugt, aber noch immer um die eins neunzig groß. Er trug einen nicht mehr ganz weißen Leinenanzug, den Allmens geübtes Auge als einst maßgeschneidert erkannte, ein weißes Hemd mit Initialen und einen Batikschal im offenen Kragen. Wenn er lachte, führte er die Fingerspitzen seiner Linken an die Lippen, um die Lücke zu verdecken, die der fehlende Eckzahn hinterlassen hatte.

Vales richtiger Name war Theodor von Krausbad. Im Unterschied zu Allmens Namen ein richtiges Adelsgeschlecht. Aber seit man sich erinnern konnte, wurde er immer Vale genannt. Der Name war im ersten Jahr seines Aufenthalts an ihm hängengeblieben, als er zu allem immer »vale« gesagt hatte, eines seiner ersten spanischen Wörter, das so viel wie »okay« bedeutet. Längst sprach er fließend Spanisch und Eivissenc, beides mit einem leichten deutschen Akzent. Einem, den er vielleicht sogar ein bisschen pflegte.

Den Tipp, Vale zu kontaktieren, hatten sie von Jaime. Den verschwundenen Koi sollten sie aber auf keinen Fall erwähnen, sonst wisse es am nächsten Tag die ganze Insel, hatte er geraten. Doch wenn sie den Inselklatsch erfahren wollten, sei er die beste Quelle.

Der Vorwand für ihre Recherchen war der gleiche wie bei den Koi-Besitzern: Allmen war auf der Suche nach einem Zweitwohnsitz auf Ibiza, und sein Geschäftspartner Carlos begleitete und beriet ihn. Was ihm vorschwebte, war eine Finca oder die Ruine einer solchen, die er mit Hilfe eines guten Architekten umbauen oder renovieren konnte. Schön wäre eine mit genügend Raum für einen Teich, weil er sich hier ein bisschen in die Kois verliebt habe.

Sie saßen im Schatten eines Johannisbrotbaumes, der so nahe am Haus wuchs, dass man die Äste bei der Mauer hatte absägen müssen. Die anderen waren so ausladend und schwer, dass sie nur mit Hilfe von mächtigen Holzstützen am Abbrechen gehindert wurden.

»Ich weiß, dass Sie ein Freund von Freddy sind, ähm … waren.«

»Wir gingen zusammen ins Charterhouse.«

»Ich möchte nicht über ihn sprechen. Können wir uns darauf einigen? Ich spreche nicht über den Tod. Nie. Er existiert nicht für mich. Können Sie damit leben?« Bei diesem Satz lachte Vale ein wenig. Er sagte ihn wohl nicht zum ersten Mal in so einem Zusammenhang.

Ein alter Ibizenko brachte getrocknete Feigen, geröstete Mandeln und eine Flasche Wein. Während seine arthritischen Hände die Flasche entkorkten, erklärte Vale: »Ruben. Seit über vierzig Jahren bei mir.«

Allmen sah ihm zu, wie er zittrig zwei Gläser vollschenkte, Carlos hatte seines mit der flachen Hand zugedeckt.

Der Wein war heller, als die Flasche hatte vermuten lassen, und das Drittel, das jetzt leer war, blieb dunkel wie der Rest.



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